Start Ups: Wachstum um jeden Preis?
Soll jeder verdiente Cent wieder in das Unternehmen investiert werden oder ist es wichtiger einen Gewinn zu erwirtschaften – dieser Frage sehen sich viele Unternehmende gegenüber. Wachstum ist ohne Zweifel wichtig, jedoch kämpfen viele bekannte Start-ups mit der Erwirtschaftung von Gewinnen. Im neuem Blogbeitrag der Blogreihe „Start-ups“ diskutieren wir intiors Sicht auf diesen Balanceakt und bieten Einsichten warum Profitabilität mittelfristig immer das Ziel sein sollte.
Wachstum um jeden Preis - ein Charakteristikum, welches man Start-ups nur allzu oft zuschreibt. Jüngste Probleme von bekannten Start-up Unicorns in Bezug auf ihre Profitabilität beim Börsengang rücken den Fokus (auch bei VC Funds) wieder mehr auf Profits und schwarze Zahlen.
Im 6. und letzten Teil unserer Start-up Serie möchten wir uns daher mit den Themen Gewinn und Wachstum beschäftigen. Zwei Themen, denen sich jede EntrepreneurIn stellen muss und deren Abwägung die Ausrichtung eines Start-ups stark beeinflussen. Wie kann ich mit meinem Angebot einen Gewinn erwirtschaften? Ist Wachstum wichtiger als Profitabilität? Soll jeder Cent wieder in das Unternehmen investiert werden? Oft scheint es, als würde aus Investierendensicht rein das Wachstum zählen. Wir diskutieren im folgenden Blogbeitrag intiors Ansichten zu diesem Balanceakt.
Der Grundstein der Profitabilität ist die Finanzplanung
Die Basis für die Profitabilität Ihres Start-ups ist die Finanzplanung. Sie müssen sich im Klaren darüber seien, wo die Kosten entstehen, woher die Einnahmen kommen und „wer dafür bezahlt“. In anderen Worten: Lernen Sie, welche Stellschrauben in Ihrem Geschäftsmodell zu Veränderungen an welchen Kennzahlen führen. Ihr Modell kann dabei sehr unterschiedlich aussehen. Einige Start-Ups fokussieren auf den klassischen Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen. Andere Start-Ups bündeln Ihr Angebot und zielen darauf ab, Einnahmen durch den Verkauf von Abonnements zu erzielen. Hier zahlt der Kundschaft nicht pro Produkt, sondern einen Zugang zum Produkt über einen bestimmten Zeitraum (Bsp: Netflix). Ein ähnliches Prinzip ist es, wenn Sie Ihren KundInnen gegen eine Leasing-Gebühr ein Produkt exklusiv nutzen lassen. Mit einer Usage Fee können solche Angebote an die Nutzungsintensität angepasst werden: Hier steigen Ihre Einnahmen mit steigender Inanspruchnahme des Service durch die KundInnen. Dieses Modell entspricht in etwa der Grundidee einer Lizensierung: Haben Sie ein Patent oder ähnlich geschütztes, intellektuelles Gut, aber nicht die Möglichkeiten oder den Willen das Produkt selbst umzusetzen, können Sie das Wissen anderen Firmen in Form einer Lizenz zur Verfügung stellen. Werbe-finanzierte Geschäftsmodelle basieren auf (mindestens) zwei verschiedenen Kundenarten. Die eigentlichen kommerziellen KundInnen von Firmen wie Facebook sind nicht die normalen User, sondern Organisationen, die für Werbungen und Daten bezahlen. Die richtige Wahl des Geschäftsmodells hängt dabei zu einem gewissen Grad von Ihrem Produkt ab. Je nach Modell sind Sie mit unterschiedlich hohen Kosten/Einnahmen konfrontiert. Oft kann auch ein entscheidender kompetitiver Vorteil aus einem innovativen Umsatzmodell bestehen und so beispielsweise einer Kundengruppe Zugang zu einem Service oder Produkt geben, der bisher nicht möglich war.
Wachstum vs. Profitabilität
Während die Profitabilität Ihres Start-ups auf jeden Fall wichtig ist, ist Wachstum in der Anfangsphase ebenso essenziell. Dafür sollte als Standardregel jeder verdiente Cent wieder in das Start-up investiert werden. So und durch die erneute Zuführung von Kapital soll die Wachstumsrate auf konstant hohem Niveau gehalten und immer neue Märkte erschlossen werden. Firmen wie Facebook oder Amazon fokussierten über Jahre auf Wachstum und operierten im roten Bereich. Und sie haben es geschafft. Aber warum ist Wachstum so wichtig und wird oft der Profitabilität vorangestellt?
Einerseits ist Wachstum wichtig, um sich am Markt durchzusetzen und der dominante Standard zu werden. Es gibt Produkte, die durch wachsende Kundenzahl an Wert gewinnen. Diese Netzwerkeffekte, wie sie Vermittlungsplattformen beispielsweise nützen, erhöhen den Wert eines Angebots für den einzelnen Nutzenden, da eine große Anzahl an Mitgliedern den eigentlichen Wert darstellt. Andererseits ist Wachstum aus Investorensicht wichtig – insbesondere aus Sicht von VC Funds. Start-ups sind natürlich in der Anfangsphase knapp an liquiden Mittel, weshalb Investoren-Cash nur allzu wichtig ist, um das eigene Start-up auszubauen. Für diese externen Investoren ist Wachstum oft wichtiger als Profitabilität. Sie investieren in zahlreiche Unternehmungen mit der Hoffnung, dass eines davon durch die Decke geht, um die fehlgeschlagenen Investitionen in andere Start-ups aufzufangen und Gewinne zu erwirtschaften. Ob ein Start-up bis zum Exit Gewinne abwirft ist aus deren Sicht oft nebensächlich, solange die Aussichten auf Wachstum und einen erfolgreichen Exit gegeben sind. Auch wenn lange Zeit das Mantra ‚Wachstum um jeden Preis‘ von großen VC Funds geprägt wurde, lässt sich in der Industrie ein genereller Trend erkennen, der Profite wieder mehr in den Blickpunkt stellt. Eine Perspektive, die auch wir bei intior teilen.
Profitabilität und solide Finanzen rücken wieder in den Fokus
Die Zeichen des letzten Jahres waren für viele in der VC Szene eindeutig. Investierende beginnen ihre Investitionen und ihre Start-ups ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Debakel von WeWork, einem Anbieter von Offices und Co-Working Spaces, welches seinen CEO vor die Tür setzte und den Börsengang zurücknehmen musste, ist wohl das Paradebeispiel, warum ein Umdenken stattfindet. WeWork wurde - wohl auch angetrieben durch den Investor SoftBank - auf einen halsbrecherischen Wachstumskurs getrimmt – profitabel ist das Unternehmen bisher nicht und Aussichten auf Gewinne sind in naher Zukunft auch nicht gegeben. Nicht überraschend zeichnete sich im Vorfeld des Börsengangs ab, dass Investierende nicht an Aktien einer Firma interessiert sind, die sich einem Schuldenberg gegenübersieht und im Blitztempo Cash verbrennt.
WeWork ist aber nur die Spitze des Eisberges – viele andere bekannte Unicorns (insbesondere Techfirmen) aus der internationalen Start-up Szene kämpfen mit dem Thema Profitabilität. Uber verzeichnete auch im Jahr 2019 noch einen Verlust und musste darüber hinaus rekordverdächtige Verluste im Rahmen des Börsengangs letzten Jahres hinnehmen. Das Ziel, in den nächsten zwei Jahren profitabel zu werden, besteht dennoch im Unternehmen. Auch Snap (Konzern hinter Snapchat) ist bereits an der Börse notiert, weist jedoch noch immer einen Verlust aus. Während es bei IPOs lange Zeit akzeptiert war, zum Zeitpunkt des Börsengangs noch tief in den roten Zahlen zu stecken, haben die extremen Beispiele des letzten Jahres ein Umdenken in die Wege geleitet.
Das mittelfristige Ziel sollte Profitabilität sein
Während viele Start-ups, oft getrieben durch aktuelle oder potenzielle InverstorInnen, auf starkes Wachstum setzen, bleibt Profitabilität in unseren Augen das mittelfristig wichtigere Ziel. Wenn auf starkes Wachstum gesetzt wird, muss es einen Plan geben, wie man das Wachstum mittelfristig auch in Profite ummünzen kann. Wir erleben viele Start-Ups, die im Rahmen einer extremen Wachstumsfokussierung über die Skalierbarkeit ihres Business stolpern. Oft ist zwar die Möglichkeit zu Wachstum gegeben, diese führt jedoch nicht direkt zu einer Verbesserung der Profitabilität. WeWork beispielsweise ist zwar stetig gewachsen, jedoch sind durch die Expansion auch zusätzliche Büroflächen notwendig geworden, wodurch auch die Kosten wieder steigen. Ein wachsender Kundenstamm wird daher nicht direkt zur Profitabilität beitragen, wenn die einzelnen KundInnen keine ausreichende Marge abwerfen. Uber und Lyft bekämpfen sich schon länger mit Boni, um KundInnen zu gewinnen und den Markt zu erobern. Wachsende Kundenzahlen sind jedoch bei beiden mit zusätzlichen Fahrern und Personal verbunden - und sollten die Preise erhöht werden, steht bereits ein drittes, viertes oder fünftes Start-up bereit, das versucht mit Rabatten NutzerInnen abzugreifen (Bsp: Bolt). Den Taxi-Service wechselt man einfach mit ein paar Touches am Smartphone, weshalb Marktanteile in dieser Branche keinen direkten Weg in die Profitabilität bedeuten.
Die Anfangsphase eines Start-ups ist zwangsläufig durch eine Phase zahlreicher Änderungen und Adaptionen gekennzeichnet, um einen hohen Market-Fit zu erzielen. Das ist auch der Grund warum Start-ups zügig in den Markt hinausgehen - um Feedback zu erhalten und ihr Angebot anzupassen. Wird dabei jedoch zu schnell und ungeplant expandiert, sind Anpassungen oft mit hohen und unerwarteten Kosten verbunden und Investitionen in die Expansion werden schnell zu sunk costs. Deshalb empfehlen wir eine klare Wachstumsstrategie nur dann, wenn sie direkt und belastbar auch mit einer klaren Profitstrategie verbunden ist.
Fazit
Testen Sie verschiedene Geschäftsmodelle für Ihr Angebot und überdenken Sie regelmäßig und mit kreativen Ansätzen, wie Sie mit Ihrer Idee am besten Geld verdienen können. Für fast jedes Geschäftsmodell ist Wachstum wichtig – jedoch nur, wenn Sie eine klare Idee für den Schritt in die Profitabilität haben. Nachhaltiges Wachstum kann auch mit einer positiven Marge erreicht werden – vielleicht ja mit einem spannenden neuen Geschäftsmodell?
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